Mehrkammerfilter oder Biofilmreaktor
Bionik am Koiteich
oder wie funktioniert der Biofilter am Koiteich …
Wie mir von erfahrenen Koifreunden geraten wurde, habe ich mir 2001 einen Mehrkammerfilter gebaut, der mit 3000 Litern etwa 10 % des Teichvolumens ausmacht. Filter können nicht groß genug sein, war damals eine gängige Meinung. Die in den folgenden Jahren auf den Markt drängenden Kompaktfilter haben bewiesen, dass die Filtergröße für eine gute Teichbiologie nicht allein ausschlaggebend ist. Noch wesentlich krasser fällt der Filtergrößen-Vergleich mit dem Einsatz eines Biofilmreaktors aus. Meinen Mehrkammerfilter habe ich in diesem Jahr bewusst trocken gelegt, um herauszufinden, welche Leistung mein Biofilmreaktor hat. Er hat einen Durchmesser von 160 mm, ist vier Meter lang und hat nur ein Volumen von etwa 100 Litern. Zum ersten Mal habe ich in diesem Jahr durchgängig klares Wasser, optimale Nitrit- wie Denitrifikationswerte und der Wartungsaufwand für den Filter tendiert gegen Null.
Den Aufbau und die Wirkungsweise eines Mehrkammerfilters brauche ich hier wohl nicht zu beschreiben. Ich beschränke mich in diesem Beitrag auf signifikante Unterschiede zum Biofilmreaktor und erläutere im Besonderen dessen Wirkungsweise. Auffallend in einem Mehrkammerfilter ist, dass nur geringe Mengen von organischen Substanzen biologisch abgebaut werden. Sie bilden Flocken, reißen ab und sedimentieren. Wenn der Bodenschlamm nicht regelmäßig abgelassen wird, geht er in Faulschlamm über. Wenn diese organischen Substanzen ausreichend mit sauerstoffhaltigem Wasser angeströmt würden, würden sie biologisch abgebaut werden bis auf einen verschwindend kleinen Anteil von mineralisiertem Restschlamm. Genau das passiert in dem Belebungsbecken einer biologischen Kläranlage und eben auch in einem Biofilmreaktor. In dem rohrförmigen Biofilmreaktor sind Wellrohre eingepresst, die beim Durchfluss unzählige Miniturbulenzen erzeugen. Die im Vergleich zum Mehrkammerfilter relativ hohe Durchflussgeschwindigkeit in Verbindung mit den Miniturbulenzen sorgt in einem Biofilmreaktor dafür, dass organische Substanzen einschließlich der abgestorbenen Bakterien biologisch abgebaut werden. Was an Abrissen aus dem Biofilmreaktor ausgespült wird, bleibt im nächsten Turnus in der Feinabscheidung hängen.
Die biologische Selbstreinigung ist wie ein Getriebe, in dem viele Zahnräder ineinander greifen. Ein nicht unbedeutendes Zahnrad ist der Einfluss der kinetischen Energie, die das Wasser strömen lässt und Turbulenzen bildet. So finden durch Turbulenzen intensive Selbstreinigungsvorgänge in der Natur zum Beispiel in einer Brandung und im Kiesbett eines Fließgewässers statt. Diese „Erfindung“ der Natur macht man sich zum Beispiel in Laboren zu Nutzen, indem man Reagenzien rüttelt und schüttelt, damit Turbulenzen biologische oder chemische Reaktionspartner im Molekularbereich besser miteinander reagieren. Es ist ein relativ neuer Wissenschaftszweig, die Bionik, die sich mit der Entschlüsselung von „Erfindungen der Natur“ beschäftigt und ihrer innovativen Umsetzung in der Technik.
Erfinder der rohrförmigen Biofilmreaktoren ist Dr. Jürgen Scheen. Er ist Diplombiologe und hat zu einem Biofilmthema promoviert. Seine Biofilmreaktoren werden eingesetzt für die Aufbereitung von Brunnen-, Pool- und Aquarienwasser und in neuerer Zeit eben auch für die Teichpflege.
Verantwortlich für die biologische Reinigung sind die Bakterien, die in einem Biofilm, der so genannten Biofilmmatrix, eingebettet sind. Biofilme sind intensiv mit Poren und Kanälen durchzogen und haben eine stark strukturierte Oberfläche mit zotten- oder korallenartigen Ausbuchtungen. Der Stofftransport im Biofilm erfolgt durch Diffusion und Advektion, d.h. als Massentransport mit dem Wasser im Kanal- und Porensystem. Und hier wirken die Turbulenzen als Verstärker, sie erzeugen minimale Drücke in ständigem Wechsel und dadurch können die Biofilme einfach besser „atmen“ bzw. sie werden „massiert“. Die tiefer im Biofilm eingebetteten Mikroorganismen können so mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden, wobei sauerstofffreie Biofilmbereiche auch von mikrobiellen Spezialisten besiedelt werden können, Stichwort Denitrifikation. Biofilme bieten den eingebetteten Bakterien auch intensiven Schutz gegen Toxine und andere Widrigkeiten.
Biofilm ist nicht gleich Biofilm, neben der großen Diversität gibt es auch erhebliche Qualitätsunterschiede, wenn sie für anthropogene Ziele eingesetzt werden. Einer der bekanntesten Biofilm-Forscher ist Professor Dr. Hans-Curt Fleming von der Universität Duisburg-Essen (http://www.uni-due.de/biofilm-centre). Sehr interessant sind die Power-Point Folien seines Vortrages „Biofilm allgemein“. Dort wird gezeigt, dass in einem ausgereiften und gut strukturierten Biofilm in drei Schichten sieben !!! verschiedene Stoffwechsel-Zyklen stattfinden. In der oberen Schicht findet zum Beispiel die Nitrifikation statt, die Denitrifikation hingegen in der Mittelschicht. Die Nitrifikation ist uns Hobbyisten gut bekannt, weil wir deren Verlauf messen können. Indirekt ist auch eine gute Denitrifikation durch einen niedrigen Nitratwert zu erkennen. Um dauerhaft klares Wasser auf natürlichem Wege zu erhalten, müssen die Nährstoffe der Algen, z.B. Stickstoff, Phosphor, reduziert werden. Organischer Kohlenstoff wird durch die Fütterung und über die Ausscheidungen in großen Mengen in das Wasser eingetragen. Wie die Nitrifikation findet der Abbau von leicht abbaubarem organischem Kohlenstoff in einem Stoffwechselzyklus in der oberen Schicht eines Biofilms statt. Obwohl für klares Wasser sehr wichtig, wird über diesen Zyklus wenig geschrieben, weil wir Hobbyisten die organischen Kohlenstoffmengen nicht messen. Der organische Kohlenstoff wird als DOC (Dissolved organic carbon) oder als TOC (Total organic carbon) gemessen. Dazu sind aufwendige Laboraustattungen notwendig. Es werden auch Transportable Einheiten zur Messung des org. Kohlenstoffs angeboten, die preislich für den Einzelnen aber nicht attraktiv sind. Als Ersatz wird häufig der CBS (Chemischer Sauerstoffbedarf) angesehen, der aber nicht nur den org. Kohlenstoff misst. Die drei erwähnten Stoffwechselzyklen sind für klares und sauberes Wasser wichtig. Ein stabiler und mit allen biologischen Notwendigkeiten ausgestatteter Biofilm schafft das, weil mit den Turbulenzen, die in einem Biofilmreaktor erzeugt werden, auch die tieferen Schichten besser mit Nährstoffen versorgt werden.
Der Fischzuchtindustrie ist bekannt, dass besonders gezüchtete Biofilme zu besonderen Leistungen fähig sind. Versuche, Trägermaterial mit gezüchteten Biofilmen zu impfen, sind aber gescheitert, weil die Biofilme von den vorherrschenden Teichbakterien zerstört wurden. Dagegen ist der Erfinder der Biofilmreaktoren, Dr. Jürgen Scheen, mit einer bewährten Strategie vorgegangen, indem er die Widersacher mit ins Boot geholt hat. Er hat bei seiner Erfindung tief ins Schatzkästchen seiner Erfahrungen gegriffen und die durch Nahrungskonkurrenz verfeindeten Bakteriengruppen zu einer Kooperation bewegt. In seine gezüchteten Biofilme integriert er Bakterien aus der jeweiligen Teichanlage. Um zu gewinnen, haben Kriegsführende schon immer Soldaten aus besetzten Gebieten rekrutiert. So vielseitig und raffiniert wie wir Menschen sind, sind Bakterien schon lange, sie hatten schließlich einige Milliarden Jahre mehr Zeit zum üben. Ausgereifte Biofilme brauchen Jahre, bis sie fertig sind und erreichen trotzdem häufig nicht eine ausreichende Stabilität. Dies kann sich in verschiedenen Situationen im Teich widerspiegeln, bei denen Flexibilität und Stabilität des Biofilm gefragt ist. Die innerhalb von 8 Tagen gezüchteten Biofilme von Dr. Jürgen Scheen hingegen sind robust und sofort einsatzfähig. Voraussetzungen für den Betrieb eines Biofilmreaktors sind eine gute Feinabscheidung mit Vlies- oder Trommelfilter und einer ca. stündlichen Umwälzrate des halben Teichvolumens.
In zwei Meter Tiefe ist jedes Muschelgrit-Körnchen gut zu erkennen. Das endgültige biologische Gleichgewicht in meinem Teich hat sich wohl noch nicht eingestellt hat, die Ablösungen des Folien-Schmants deuten darauf hin. Ich rechne damit, dass sich der Gelbstich noch weiter reduzieren wird. Erwähnenswert ist der Nitrat-Parameter, der beim Biofilmreaktor signifikant vom Mehrkammerfilter abweicht. Die Durchschnittswerte lagen beim MKF bei 50 mg/l und liegen beim Bifi bei 25 mg/l. Ich werte das als Indiz dafür, dass im Bifi eine bessere Denitrifikation stattfindet.
Der Einfachheit halber habe ich meinen Biofilmreaktor im Teich montiert, etwa 30 cm unter Niveau. Mit einem Folienrandstreifen ist er abgedeckt und von oben kaum zu auszumachen (siehe rechts). Für dieses Foto habe ich den Folienrandstreifen umgeschlagen. Wegen der verkürzten Rohrleitungen kann der Biofilmreaktor energetisch günstig mit einer Rohrpumpe betrieben werden. Mit meinem Mehrkammerfilter wurde in der Vergangenheit im Winter der Teich ausgekühlt, mit dem Biofilmreaktor im Teich ist das nun nicht mehr möglich. Mit dem Biofilmreaktor kann ich für meine Anlage bisher nur Vorteile erkennen.
Juni 2008 – Erhard von Oepen