Dieser Artikel beschreibt das Gleichgewicht zwischen pH-Wert, Kohlendioxid und Wasserhärte
Kurt Bauer
Zur Bedeutung der Kohlensäure in Karpfenteichen
Extrem
hohe pH-Werte während der Vegetationsperiode führen in einer Vielzahl
von Karpfenteichen zu einer Schädigung der Fische und zu
entsprechenden wirtschaftlichen Verlusten. Derartige pH-Werte treten
auf, obwohl in den Teichen ein Säurebindungsvermögen (SBV) gemessen
wird, das nach der klassischen Lehre der Karpfenteichwirtschaft den
pH-Wert auf wesentlich niedrigere Werte begrenzen müsste. Die
einschlägige Literatur stellt die chemischen und biologischen
Zusammenhänge im Karpfenteich, insbesondere die Rolle der Kohlensäure,
in der Regel missverständlich, z. T. sogar unrichtig dar. Außerdem
erzwingen neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Nutzbarkeit der
verschiedenen Kohlensäureformen sowie über den Vorgang der »biogenen
Entkalkung« ein Umdenken in einigen Kapiteln der Limnologie von
Karpfenteichen. Diese Zusammenhänge sollen im Folgenden dargestellt
werden. Insbesondere soll die zentrale Rolle der Kohlensäure und ihrer
Verfügbarkeit im Teich aufgezeigt werden.
Mangelnde Verfügbarkeit an freier Kohlensäure für die Photosynthese führt zur Fehlentwicklung im Teich.
Die
unmittelbare Ursache der eingangs genannten hohen pH-Werte ist die
Photosynthese von Schwebalgen und Wasserpflanzen. Photosynthese ist als
Grundlage der Produktion erwünscht und wird durch »Düngung« gefördert.
Gerät hierbei jedoch die Nährstoff-Versorgung aus der Balance, so dass
Kohlenstoff im Vergleich zu den Phosphor- und Stickstoff-Vorräten zum
Mangelfaktor wird, dann wird das Wasser durch Kohlensäuremangel
basisch. Kohlenstoff als Mangelfaktor bedeutet dabei nicht unbedingt,
dass das Wachstum der Algen durch den Kohlensäuremangel mengenmäßig
besonders eingeschränkt wäre. Vielmehr wachsen u. U. unter dem Einfluss
überschüssigen Phosphors jene Algenarten in einer konkurrenzlosen
Massenentwicklung, die auf eine Nutzung des schwerer verwertbaren
Hydrogencarbonates spezialisiert sind und die eine besonders
dramatische Steigerung des pH-Wertes herbeiführen. Maßnahmen, welche
eine solche Fehlentwicklung des Teiches verhindern oder bekämpfen
sollen, zielen darauf ab, neben der Vermeidung von
Phosphor-Überschüssen vor allem die Verfügbarkeit ausreichender Mengen
an freier Kohlensäure zur Zeit des Bedarfes sicherzustellen.
Phosphor verursacht einen mehr als hundertfachen Bedarf an Kohlenstoff.
Ein
»Kohlensäure-Mangel« ist im Zusammenhang mit den anderen Düngestoffen
zu sehen. Aus anorganischen Düngesalzen soll in einem klassischen
Karpfenteich Fischmasse erzeugt werden. Dies wird vermittelt durch die
pflanzliche Urproduktion an Biomasse, welche über die Nahrungskette
schließlich zu Fischmasse umgewandelt wird.
Eine
chemische Analyse der Lebewesen eines Teiches ergibt folgende
durchschnittliche Zusammensetzung aus den wichtigsten chemischen
Elementen (Uhlmann 1988):
C106H180O45N16P1 = BIOMASSE
Das
bedeutet, dass neben den Bestandteilen des Wassers, also Wasserstoff
und Sauerstoff, die sog. Nährstoff-Elemente in einem chemischen
Mengenverhältnis
Phosphor (P) : Stickstoff (N) : Kohlenstoff (C) = l : 16 : 106
verfügbar sein müssen, wenn nicht einer davon zum begrenzenden Faktor der Produktion werden
soll.
Um die chemischen Mengenverhältnisse der Nährstoff-Elemente zu veranschaulichen, sind in der
Abbildung
l die Aufwandmengen der Düngesubstanzen, des Wassers und der
Kohlensäure zusammengestellt, die für eine Hektarproduktion von 500 kg
Fisch nötig sind.
Dabei
sind nur diejenigen Mengen berücksichtigt, die im Fisch selbst
verbleiben. Verluste als Schlamm oder über den Abfluss verursachen
einen höheren Aufwand. Man vergleiche dennoch den Bedarf an Phosphat in
Form von 26 kg Superphosphat mit den in der AID-Broschüre Nr. 359
empfohlenen Menge von 300 kg Superphosphat (Jahn, v. Lukowicz, Wurzel,
1979).
Die
harmloseste Folge eines Ungleichgewichtes der Nährstoffe wäre eine
begrenzte Produktion mit ungenutzten Überresten der anderen Nährstoffe.
Dies ist jedoch nur bei Phosphor-Begrenzung so. Bei
Stickstoff-Begrenzung treten dagegen Blaualgen in größerer Menge auf,
welche den gasförmigen Stickstoff nutzen können. Sie sind jedoch in
der Fischproduktion vor allem deshalb problematisch, weil eine Reihe
von Blaualgen-Arten zu geschmacklichen Beeinträchtigungen der Fische
führen. Eine begrenzte Verfügbarkeit an Kohlenstoff schließlich führt
immer zu hohen pH-Werten.
In
natürlichen Gewässern ist Phosphor aufgrund seiner chemischen
Eigenschaften fast immer der Mangelfaktor. Seine Verfügbarkeit
begrenzt, trotz seines geringen Bedarfsanteils, die Produktion.
Karpfenteiche sind dagegen durch absichtliche Düngung oder durch
hochbelastete Wasserversorgung häufig in der Situation eines
Phosphor-Überschusses, so dass in der Regel Kohlensäure zum
Mangelfaktor wird. Dieses Problem ist in der teichwirtschaftlichen
Literatur im Prinzip erkannt. Verschiedenartige Darlegungen über Kalk
und SBV zielen auf die Lösung dieses Problems ab. Sie sind jedoch
leider meist fehlerhaft.
Algen
und Pflanzen können nur freie Kohlensäure und Hydrogencarbonat als
Kohlenstoff-Quellen nutzen. Aber besonders die Verwertung von
Hydrogencarbonat führt zu extremen pH-Werten im Wasser.
Kohlensäure
liegt im -Wasser prinzipiell in vier verschiedenen Formen vor, deren
Beziehung in Abbildung 2 dargestellt ist. Es sind dies:
1. gelöstes Kohlendioxid-Gas (CO2),
2. Kohlensäure im engeren Sinn (H2CO3), nach Verbindung des CO2 mit Wasser,
3. das Hydrogencarbonat-Ion (HCO3-, auch Bicarbonat oder halbgebundene Kohlensäure genannt), nach Abspaltung eines Wasserstoff-Ions (H+) vom Kohlensäure-Molekül, und schließlich
4. das Carbonat-Ion (CO3–,
auch Monocarbonat oder doppelt gebundene Kohlensäure genannt), nach
Abspaltung eines weiteren Wasserstoff-Ions aus dem Hydrogencarbonat-Ion.
Abbildung
2 zeigt, in welchem naturgesetzlichen Zusammenhang der pH-Wert des
Wassers und die relativen Konzentrationsanteile der gelösten Kohlensäure-Formen zueinander stehen. Dabei werden meist CO2 und H2CO3
wegen ihres nahezu gleich bleibenden Verhältnisses (ca. 650: l) als
»freie Kohlensäure« zusammengefasst. Diese Abbildung sagt nichts über
die absoluten Mengen gelöster Kohlensäure aus, weil sich diese durch
Atmung und Photosynthese sowie durch Fällung oder Auflösung von Kalk
oder Dolomit verändern können.
Für
alle Schwebalgen und Wasserpflanzen ist freie Kohlensäure ohne
besonderen Aufwand verwertbar. Ihre elektrisch nicht geladenen
Teilchen können frei durch die Zellwand diffundieren. Nur ein
spezialisierter Teil der Algen und Pflanzen besitzt dagegen einen
Mechanismus, um auch Hydrogencarbonat-Ionen aufnehmen zu können. Der
Aufwand besteht darin, die elektrisch negativ geladenen und deshalb
nicht frei diffundierenden Hydrogencarbonat-Ionen gezielt aufzunehmen,
und zwar im Austausch gegen ein anderes negativ geladenes Ion, nämlich
das Hydroxyl-Ion (OH-) (Kohl, Nicklisch, 1988). Dieser
Austausch ist notwendig, um das elektrische Ladungsgleichgewicht zu
erhalten, um also zu verhindern, dass sich die Algen elektrisch negativ
aufladen.
Wird
freie Kohlensäure durch Photosynthese verbraucht, verringert sich ihr
verhältnismäßiger Anteil im Vergleich zum Hydrogencarbonat. Wie aus
Abbildung 2 zu erkennen ist, führt dies zu einem höheren pH-Wert. Wird
dagegen Hydrogencarbonat genutzt, so wird, wie gezeigt, von den Algen
oder Pflanzen im Austausch gegen eine bestimmte Menge
Hydrogencarbonat-Ionen eine entsprechende Menge Hydroxyl-Ionen
freigesetzt. Diese entziehen wiederum einer weiteren entsprechenden
Menge von Hydrogencarbonat-Ionen je ein Wasserstoff-Ion, so dass daraus
die entsprechende Menge an Carbonat-Ionen entsteht. Damit steht nun
der doppelt verminderten Menge an gelösten Hydrogencarbonat-Ionen eine
einfach erhöhte Menge an Carbonat-Ionen gegenüber. Wie Abbildung 2
zeigt, ist eine deutliche pH-Steigerung die bekannte und in der Praxis
immer wieder gemessene Folge. (Auf eine Fällung der Carbonat-Ionen und
Calcium-lonen als ungelöstes Calciumcarbonat, die daraufhin langsam in
Gang kommt, muss später eingegangen werden.)
Nach
dem Stand der botanischen Wissenschaft ist eine Nutzung von Carbonat
durch pflanzliche Wasserorganismen nicht möglich. Schäperclaus (1961)
schloss auf eine derartige Nutzung aus den starken pH-Erhöhungen bei
der Photosynthese von Elodea. Da er die Kohlensäure-Formen als
molekulare Calciumverbindungen (»verschiedene Kalkarten«) schrieb,
erlag er dem Irrtum, die basische Reaktion des Wassers müsse auf die
Bildung von Calciumhydroxid aus der letzten nicht basischen Kalkart,
dem Calciumcarbonat, zurückgehen. Diese trügerische Denkweise in einer
vermeintlichen Abfolge von Kalkarten führt in der Literatur sogar
dazu, dass manche Autoren im Teich durch pflanzliche Tätigkeit
Branntkalk entstehen lassen (Klee 1985, Reichle 1989, Klee 1990). Wie
schon Pia (1933) unter Bezugnahme auf Schäperclaus eindringlich mahnt,
sollte man es deshalb prinzipiell vermeiden, gelösten kohlensauren
Kalk als CaCO3 zu schreiben. Diese Schreibweise steht immer
für eine ungelöste und deshalb nicht in die Ionen aufgespaltene
Verbindung (Kalkstein, Kesselstein, Seekreide, Marmor etc.) Geht
kohlensauerer Kalk in Lösung, bilden sich elektrisch positiv geladene
Teilchen des Calciums, also Ca++ -Ionen, und elektrisch negativ geladene Carbonat-Ionen, C3–.
Unabhängig von den Calcium-Ionen verhalten sich die Carbonat-Ionen als
freie Teilnehmer am Gleichgewichtssystem der Kohlensäure-Formen.
Darüber hinaus existiert, eine Substanz »Calciumhydrogencarbonat« mit
der Formel »Ca (HCO3)2« überhaupt nicht, weder gelöst noch als Feststoff. Das Hydrogencarbonat liegt immer in Form von Hydrogencarbonat-Ionen HCO3-
frei im Wasser vor, unabhängig davon, ob eine entsprechende
(»äquivalente«) Menge Calcium-lonen, Magnesium-Ionen oder andere
elektrisch positive Ionen im Wasser vorhanden sind und als elektrischer
Ladungsausgleich dienen.
Die
nutzbaren Anteile der gelösten Kohlensäure im Wasser stammen aus der
Atmung von Organismen, jedoch nicht aus der Luft und nicht aus den
Carbonaten des Bodens.
fast ausschließlich die aus der Veratmung von organischem Material
stammende Kohlensäure die Quelle der freien Kohlensäure und auch die
Quelle der nutzbaren Hälfte des Hydrogen-carbonates. Die Luft enthält
nur 0,03 % ihres Volumens an Kohlendioxid. Obwohl sich Kohlendioxid im
Wasser sehr viel besser löst als die anderen Luftgase, hat dieser
geringe Gehalt in der an freier Kohlensäure im Wasser bei intensivem
Kontakt mit Luft lösen. Jede darüber hinaus gehende Konzentration an
gelöster freier Kohlensäure kann nur durch die Veratmung von
biologischer Substanz im Wasser entstehen.
Die Quelle all dieser biologischen Substanz ist letztlich die Photosynthese der Landpflanzen. Diese können auf l m2 Standfläche mit ca. 10-15 m2
Laubfläche den geringen Kohlensäure-Gehalt aus der sich stetig
erneuernden Luft einfangen. Für das Teichwasser stellt dagegen die
geringe Wasseroberfläche einen Engpass zum Luftraum dar, durch den der
Kohlensäurebedarf der Unterwasserpflanzen und Algen nicht entfernt
gedeckt werden könnte. Den Landpflanzen muss man deshalb nur Phosphor
und Stickstoff als Dünger bieten. Die Pflanzen unter Wasser sind
dagegen auch auf eine Versorgung mit Kohlensäure angewiesen. Über die
biologischen Nahrungsketten gelangt ein großer Teil der von den
Landpflanzen gebildeten Biomasse als abbaufähiges Material auf den
Boden und wird dort von den Mikroorganismen mineralisiert, also u. a.
zu Kohlensäure veratmet. Regenwasser nimmt erst dort nennenswerte
Kohlensäure-Mengen auf. Zugleich wird organisches Material in die
Gewässer geschwemmt und setzt dort ebenfalls durch Veratmung seinen
Kohlensäure-Gehalt frei. Der Hydrogencarbonat-Gehalt des Wassers
entsteht, wenn kohlensaurer Kalk oder Dolomit, je nach dem geologischen
Untergrund, aus dem Boden gelöst werden, und zwar unter Einwirkung von
Wasser, in welchem eine hinreichende Menge Kohlensäure gelöst ist. Die Erläuterung: »Kalk-Gleichgewicht«
enthält eine Beschreibung der Lösung von Kalk in kohlensaurem Wasser.
Eine Kalkauflösung in größerem Umfang ist nur möglich, wenn eine Säure,
in der Regel die freie Kohlensäure aus der Atmung, die benötigten
Wasserstoff-Ionen liefert. Hierdurch können die (zunächst nur in
verschwindenden Mengen) gelösten Carbonat-Ionen zu
Hydrogencarbonat-Ionen umgewandelt werden. Nur dann können weitere
Carbonat-Ionen aus dem kalk- oder dolomithaltigen Boden in Lösung
gehen. Die freie Kohlensäure selbst wandelt sich durch diese
Abspaltung von Wasserstoff-Ionen in Hydrogencarbonat-Ionen um, und
zwar in gleicher Menge, wie Hydrogencarbonat-Ionen aus den
Carbonat-Ionen des gelösten Bodengesteins gebildet wurden. Im Wasser
als »Säurebindungsvermögen« (SBV) gemessenes Hydrogencarbonat stammt
also je zur Hälfte aus Atmungskohlensäure und aus dem Carbonat-Gehalt
des Bodens. Bei der Photosynthese ist ebenfalls nur die Hälfte des
Hydrogencarbonates nutzbar, die andere Hälfte wird dabei zu Carbonat
umgewandelt und fällt letztlich als kohlensaurer Kalk wieder aus.
Das SBV ist kein Maß für den Kalkgehalt des Wassers.
Die Erläuterung: »Was ist das SBV?«
stellt dar, wie das SBV gemessen wird und was es bedeutet. Es gehört zu
den am meisten missverstandenen Größen in der Teichwirtschaftslehre.
Messwert des SBV sagt nicht automatisch auch etwas über die vorhandenen
Konzentrationen an Calcium-, Magnesium- oder anderen positiv geladenen
Ionen aus. In Gegenden mit Kalkböden (z. B. Jura) kann man meist davon
ausgehen, dass, entsprechend dem Lösungsvorgang des Kalkgesteines, mit
den Hydrogencarbonat-Ionen auch eine äquivalente Menge Calcium-Ionen in
Lösung vorhanden ist. In Dolomit-Gegenden, wozu ein großer Teil der
»Kalk«-Alpen und ihr Vorland gehören, liegen stattdessen zu etwa
gleichen Teilen Calcium- und Magnesium-Ionen vor. In sulfat-haltigen
Wässern schließlich kann wesentlich mehr Calcium (gelöster Gips)
enthalten sein, als nach dem SBV zu erwarten wäre. Schließlich soll
noch darauf hingewiesen werden, dass es auch in Mitteleuropa
Sodagewässer gibt, z. B. um den Neusiedler See, in denen Natrium mehr
oder weniger weitgehend die Stelle von Calcium einnimmt.
In
selteneren Fällen kommt es vor, dass neben dem System der
Kohlensäure-Formen andere Puffersysteme z. B. der Phosphorsäure oder
der Kieselsäure sowie Huminsäuren und andere, z. B. von absterbenden
Organismen freigesetzte, organische Substanzen sowie Ammoniak und Amine
einen Teil des SBV-Meßwertes erzeugen.
Das SBV liefert bei Photosynthese keine freie Kohlensäure nach.
Häufig
wird die Meinung vertreten, das »SBV« liefere freie Kohlensäure direkt
nach, wenn infolge Photosynthese freie Kohlensäure aus dem
Gleichgewicht entzogen wird. Wie aus Abbildung 2 erkennbar, müsste aber
je ein Hydrogencarbonat-Ion mit einem Wasserstoff-Ion reagieren, um ein
Molekül
der freien Kohlensäure zu bilden. Die Konzentration an
Hydrogencarbonat-Ionen entspricht weitgehend dem SBV und liegt in der
Größenordnung von »l mval/1«, das entspricht 10-3Mol/l. Um hieraus freie Kohlensäure zu gewinnen, sind eben so viele Wasserstoff-Ionen notwendig, also ca. 10-3Mol/l. Wir wissen aber, dass z. B. bei pH 7 nur 10-7Mol/l Wasserstoff-Ionen vorhanden sind (siehe Erläuterung: »Was ist der pH-Wert«), also nur etwa der lOOOOste Teil von 10-3Mol/l.
Ohne eine zusätzliche Quelle von Wasserstoff-Ionen bleiben also die
Mengen an freier Kohlensäure und Hydrogencarbonat beinahe unverändert.
Sie bleiben so, wie die biologischen Prozesse, bei denen freie
Kohlensäure erzeugt oder verbraucht wird, sie einstellen.
Die
Ausfällung von kohlensaurem Kalk, die sog. »biogene Entkalkung«, könnte
freie Kohlensäure liefern. Diese Reaktion ist jedoch langsam und wird
durch das organische Material im Teichwasser zusätzlich stark behindert.
Schäperclaus (1961) schreibt, »dass das Kohlensäurereservoir umso größer ist, je größer die vorhandenen Mengen an Ca (HCO3)2 und je größer das SBV ist. Die Kohlensäure kann also – entgegen früheren Anschauungen – nie ins Minimum geraten solange ein hinreichendes SBV Salzsäurebindungsvermögen), beruhend auf Ca (HCO3)2 und gelöstem CaCO3 und gekennzeichnet durch nicht zu hohe pH-Werte, vorhanden ist.« Er nimmt damit Bezug
1. auf die Nutzbarkeit von Bicarbonat und, wie er irrtümlich annimmt, von Carbonat für die Pflanzen und Algen sowie
2. sehr wahrscheinlich – seine Herleitung ist nicht klar – auf den Mechanismus der »biogenen
Entkalkung«, den er hinsichtlich seiner Kohlensäure liefernden Wirkung jedoch nicht näher
beschreibt.
Schäperclaus
(1961) macht die Nutzbarkeit des Kohlensäure-Vorrates eindeutig von der
gleichzeitigen Anwesenheit gelösten Calciums abhängig. Tatsächlich
können Calcium- und Magnesiumionen durch die Ausfällung
schwerlöslicher Carbonate in die Freisetzung von freier Kohlensäure
eingreifen, wie dies den Natrium-Ionen in einem Soda-Gewässer nicht
möglich ist.
Die Ausfällung von kohlensaurem Kalk, also die so genannte biogene Entkalkung, ist im Prinzip die Umkehrung der in der Erläuterung: »Kalk-Gleichgewicht«
formulierten Auflösung des kohlensauren Kalkes. Wenn in einem
Calcium-haltigen Wasser durch Photosynthese der pH-Wert steigt, so wird
hierbei in einem nach Abbildung 2 erkennbaren Maß der Anteil der
Carbonat-Ionen erhöht durch Umwandlung von Hydrogencarbonat-Ionen.
Dabei kann die Konzentration der Carbonat-Ionen höher werden, als bei
der vorhandenen Konzentration an Calcium-Ionen auf Dauer in Lösung
bleiben kann. Es entsteht eine sog. übersättigte Lösung, aus der
allmählich Calcium-Carbonat auszufallen beginnt.
Die
Konzentration der Carbonat-Ionen nimmt durch die Ausfällung ständig ab,
so dass Hydrogencarbonat-Ionen nachdissoziieren. Sie spalten dabei
Wasserstoff-Ionen ab, welche zum größten Teil mit weiteren
Hydrogencarbonat-Ionen zu freier Kohlensäure reagieren. Der Vorrat an
Hydrogencarbonat-Ionen wird also zu einer Hälfte in freie Kohlensäure
und zur anderen Hälfte in Carbonat umgewandelt und das Carbonat fällt
ständig mit Calcium zusammen als kohlensaurer Kalk aus. Dieser Vorgang
endet, wenn der um äquivalente Teile verminderte Calcium- und
Hydrogencarbonat-Vorrat, die gebildete freie Kohlensäure und der
hierbei wieder gesenkte pH-Wert einem neuen Zustand von
»Kalk-Gleichgewicht« entsprechen.
Würde
dieser Vorgang mit der gleichen Geschwindigkeit ablaufen, die wir von
den Gleichgewichts-Reaktionen zwischen den Formen der Kohlensäure
gewöhnt sind, dann könnte man nach dem SBV eines reinen Kalkgewässers
(d. h. in welchem nur Calcium-Ionen entsprechend den
Hydrogencarbonat-Ionen, jedoch keine Magnesium- etc. Ionen enthalten
sind) dessen höchstmöglichen pH-Wert aus den bekannten
Gleichgewichts-Tabellen und -Grafiken ablesen. Immer, wenn durch
Photosynthese freie Kohlensäure aus dem Gleichgewicht entzogen würde,
käme es sofort zu einer Entkalkung. Sie würde zwar das SBV entsprechend
senken, der pH-Wert könnte jedoch nur langsam steigen und es würde
dabei ständig Kohlensäure freigesetzt.
Wie
die Praxis zeigt, werden jedoch die Grenzen des Kalk-Gleichgewichtes an
Sonnentagen fast immer überschritten. In nährstoffreichen
Karpfenteichen werden fast regelmäßig hohe pH-Werte gemessen, die bei
dem jeweils gemessenen SBV nicht auftreten dürften. Hierfür sind zwei
Gründe verantwortlich:
Der
erste Grund liegt in einer Unzulänglichkeit der Messung. Wir messen als
SBV gegebenenfalls auch Calciumcarbonat, das bereits aus der Lösung
auskristallisiert ist, jedoch noch feinst verteilt im Wasser schwebt.
Bei der SBV-Messung löst es sich unter dem Einfluss der Salzsäure
hinreichend rasch und umso besser wieder auf, je kleiner seine
Kristalle noch sind. Gelegentlich bemerkt man bei der SBV-Messung eine
etwas »zähe« Reaktion des pH-Wertes während der Zugabe der Salzsäure.
Dann kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass mikrokristalliner
Kalk mitgemessen wird, der gelöste Formen der Kohlensäure vortäuscht
(Roßknecht 1976, 1977, 1980).
Der
entscheidende Grund für die regelmäßig über das theoretische
Gleichgewichts-Niveau steigenden pH-Werte ist jedoch, dass die
Reaktion der Kalkfällung sehr langsam abläuft. In einem »sauberen«
Wasser dauert es annähernd einen Tag, bis sich nach der Entstehung
einer Kalk-Übersättigung das neue Gleichgewicht einstellt. Darüber
hinaus konnte aber am Bodensee gezeigt werden, dass organisches
Material die Einstellung des neuen Kalkgleichgewichtes auf bis zu zwei
Wochen verlangsamen kann (Kleiner 1989). In Karpfenteichen ist aufgrund
des hohen Gehaltes an organischem Material mit einer noch wesentlich
stärkeren Verzögerung der biogenen Entkalkung zu rechnen.
Die
Ursache der Verzögerungen bei der Ausfällung von Kalk konnte im
Raster-Elektronenmikroskop gezeigt werden. Die Oberflächen feinster
Kalkkristalle, die als Ansatzpunkte für den Fortgang der Kalkfällung
wirken sollten, belegen sich mit organischen Partikeln. Daneben spielen
auch gelöste organische Moleküle eine Rolle, die als sog. Chelatbildner
das Calcium zum Teil »maskieren« und so von der Kalkfällung
ausschließen können.
Das SBV puffert nicht die durch Verbrauch und Erzeugung von Kohlensäure verursachten Schwankungen des pH-Wertes.
Es
trifft nicht zu, dass die pH-Steigerungen, die durch den
photosynthetischen Verbrauch an freier Kohlensäure verursacht werden,
um so geringer sind, je größer das als SBV gemessene »Puffervermögen«
ist. Atmung und Photosynthese verändern lediglich das Verhältnis der
beiden »Pufferkomponenten«, also der Konzentrationen von
Hydrogencarbonat-Ionen und freier Kohlensäure. Damit wird der pH-Wert
»eingestellt«. Die Photosynthese kann dieses Puffersystem jedoch nicht
in seiner Eigenschaft nutzen, pH-Bewegungen zu dämpfen. Diese
Eigenschaft zeigen Puffer nur gegenüber der Zufuhr von
Wasserstoff-Ionen bzw. Hydroxyl-Ionen durch andere als die am
Puffersystem beteiligten Säuren bzw. Laugen.
Abbildung
3 zeigt für verschiedene Werte des SBV den Zusammenhang zwischen
pH-Wert und Gehalt an freier Kohlensäure. Die untereinander
deckungsgleichen Kurvenzüge sind rein aus dem Gleichgewicht der
Kohlensäure-Formen errechnet, ohne Berücksichtigung der Kalkfällung. Es
ist zu erkennen, dass die gleiche Veränderung des Gehaltes an freier
Kohlensäure auch immer eine gleich große Änderung des pH-Wertes
verursacht. Keineswegs sind also diese pH-Änderungen bei höherem SBV
geringer. Sie bewegen sich lediglich in einem höheren (!) pH-Bereich.
Im sehr weichen Wasser der Mittelgebirge ist der pH-Wert selbst bei
geringen Gehalten an freier Kohlensäure für die Fische zu niedrig. Der
Aufbau eines SBV von wenigstens ca. l mval/1 positioniert die
pH-Bewegungen in einen günstigen Bereich.
Bei
allen Maßnahmen gegen zu hohe pH-Werte im Teich geht es darum, den
Kohlensäurebedarf und die verfügbare Menge an freier Kohlensäure
aufeinander abzustimmen.
Wir
haben gezeigt, dass es in Karpfenteichen, besonders unter dem Einfluss
gesteigerter Phosphorgehalte, leicht zu einem Mangel an freier
Kohlensäure kommen kann und dass gefährlich erhöhte pH-Werte die Folge
sind. Wir haben ferner gezeigt, dass der Kohlensäure-Eintrag aus der
Luft keine Rolle spielt und dass das SBV die rettende Rolle aus
mehreren Gründen nicht spielen kann, die ihm in der derzeit geltenden
Lehrmeinung zugesprochen wird. Wir haben schließlich gezeigt, dass alle
im Teich verwertbare Kohlensäure über die Veratmung von organischem
Material in das Wasser gelangen musste.
Alle
Maßnahmen gegen hohe pH-Werte in Karpfenteichen haben deshalb etwas
damit zu tun, den aktuellen Bedarf an freier Kohlensäure entweder zu
beschränken oder ihn zu befriedigen. Der Bedarf an freier Kohlensäure
und die verfügbare Menge müssen also aufeinander abgestimmt werden.
Herrschen bereits hohe pH-Werte im Teich, so wird man rasch für eine
ausreichende Menge an Kohlensäure sorgen müssen, welche imstande ist,
den pH-Wert wieder in einen günstigen Bereich abzusenken. Man wird aber
gleichzeitig dafür sorgen müssen, dass diese Kohlensäure nicht sofort
wieder aufgebraucht wird. Besser ist es freilich, den Teich von Anfang
an nicht in den Zustand geraten zu lassen, in dem sich ein Überschuss
des Kohlensäure-Bedarfes über den verfügbaren Kohlensäure-Vorrat
ergibt. Deshalb sollen im Folgenden zuerst die Sofort-Maßnahmen gegen
entgleiste pH-Verhältnisse besprochen werden. Abschließend wollen wir
dann auf die Methoden der Bewirtschaftung eingehen, die von Anfang an
ein Gleichgewicht der Nährstoffe erzeugen.
Branntkalk
wirkt rasch und zuverlässig, engt aber bei wiederholter Anwendung den
Vorrat an verfügbarer Kohlensäure immer mehr ein!
Das
Ausbringen von gemahlenem Branntkalk ist eine meist erfolgreich geübte
Methode, um hohe pH-Werte in Karpfenteichen wieder zu senken. Beim
Ausbringen wird der Branntkalk im Wasser sofort zu gelöschtem Kalk.
Hydratkalk ist ein anderer Name für gelöschten Kalk. Löst er sich im
Wasser, so entsteht Kalklauge, also eine Lösung von entsprechenden
Mengen Calcium- und Hydroxyl-Ionen.
Es
bedarf der Erklärung, wie es möglich ist, einen zu hohen pH-Wert durch
das Ausbringen einer Substanz zu senken, die selbst hohe pH-Werte
erzeugt. Die Wirkung des Branntkalks beginnt damit, dass die
ausgebrachten Kalkpartikel in ihrer unmittelbaren Umgebung durch die
extrem basische Wirkung Schwebalgen abtöten und damit den Bestand
derjenigen Organismen dezimieren, die den übermäßigen
Kohlensäure-Bedarf verursachen. Die somit abgetötete Biomasse wird
rasch von Mikroorganismen mineralisiert und setzt dabei ihren
Kohlenstoff-Gehalt als Kohlensäure frei. Zugleich beginnt der
Branntkalk auf rein physikalisch-chemischem Weg zu wirken. Wiederum in
direkter Umgebung der Branntkalk-Partikel bildet sich eine stark
erhöhte Konzentration an Calcium-Ionen. Die freigesetzten
Hydroxyl-Ionen wandeln ferner Hydrogencarbonat-Ionen in Carbonat-Ionen
um, so dass auch deren Konzentration örtlich stark zunimmt. Es entsteht
also kleinsträumig eine erhebliche Übersättigung mit kohlensaurem Kalk,
so dass sich rasch in großer Menge Kristallisationskeime bilden, welche
die verzögerte biogene Entkalkung katalytisch beschleunigen. Hierbei
wird, wie besprochen, Kohlensäure freigesetzt.
Ein
dritter Effekt besteht darin, dass bei der Kalkfällung auch Schwebalgen
ausflocken und zu Boden gezogen werden. Auch sie sterben letztlich ab
und setzen Kohlensäure frei. Darüber hinaus bedeutet die entstandene
Wassertrübung eine Abschattung der noch aktiven Algen, die somit
weniger Kohlensäure verbrauchen.
Trotz
alledem ist Branntkalk ein problematisches Mittel zur Freisetzung von
Kohlensäure! Er bindet einen Teil der freigesetzten Kohlensäure,
entsprechend seiner Menge. Je nach den momentanen Umständen werden
daraus gefälltes Carbonat und Hydrogencarbonat-Ionen zu
unterschiedlichen Anteilen. Wir haben bereits gezeigt, dass die im
festen Calciumcarbonat gebundene Kohlensäure biologisch nie mehr
verwertbar ist. Entsprechend gilt, dass von den aus freier Kohlensäure
neu gebildeten Hydrogencarbonat-Ionen auch nur eine Hälfte nutzbar ist.
Die andere Hälfte wird dabei, wie gezeigt, ebenfalls zu Carbonat.
In
einem Karpfenteich von l m Tiefe bedeutet dies, dass eine ausgebrachte
Menge von 50-100 kg Branntkalk je Hektar den Gegenwert von 0,18-0,36
mval/1 SBV an Kohlensäure unwiederbringlich aus dem Verkehr zieht!
Darüber darf ein eventuell momentan erhöhtes SBV nicht hinwegtäuschen.
Man kann sich ausrechnen, welche Einengung des Vorrates an Kohlensäure
sich ergibt, wenn Branntkalk regelmäßig in der irrigen Absicht einer
»Teichpflege« ausgebracht wird. Aufgrund dieser Zusammenhänge ist es
auch sehr problematisch, mit Branntkalk ein SBV aufbauen zu wollen.
Schäperclaus (1961) hält es deshalb für wichtig, darauf hinzuweisen, »wie
rein praktisch durch Zufuhr von Kalk und zersetzlicher organischer
Substanz der Kalk- und Kohlensäurevorrat, der für die CO2 Assimilation
eine so große Rolle spielt, in der Teichwirtschaft vergrößert werden
kann.« Erst die organische Substanz liefert also die nötige
Kohlensäure, aber die Hälfte davon wird auch in diesem Fall nie mehr
nutzbar sein! Es versteht sich fast selbst, dass sich das Ausbringen
von Branntkalk dort katastrophal auswirkt, wo Kohlensäure weder in Form
von Biomasse noch als Hydrogencarbonat in Verbindung mit einer
Übersättigung von Calciumcarbonat in ausreichenden Mengen vorhanden
ist, um die Kalklauge zu neutralisieren.
Chlorkalk
dezimiert Algen und senkt den pH-Wert, ohne Kohlensäure zu binden. Er
bildet jedoch gefährliche Rückstände an Chlorkohlenwasserstoffen.
Wegen
der Nachteile des Branntkalkes erschien lange Zeit Chlorkalk als das
Mittel der Wahl. Auch Natron-Chlorbleichlauge wurde zum gleichen Zweck
verwendet. Diese Hypochlorite des Calciums bzw. des Natriums wirken
durch eine Abspaltung von Chlor oxidierend und giftig auf Algen, so
dass sie deren Bestand dezimieren und dadurch den Kohlensäure-Bedarf
senken. Beim Abbau der abgetöteten Algenmasse wird Kohlensäure frei und
senkt den pH-Wert. Wegen der geringen Aufwandmengen von 10-15 kg
Chlorkalk je Hektar Teichfläche wird kein nennenswerter Teil der
freigesetzten Kohlensäure gebunden.
Die
Wirkung des Chlorkalkes ist geringer als die des Branntkalkes, da keine
nennenswerte Auslösung der biogenen Entkalkung und keine starke
Trübung des Wassers entsteht. Darüber hinaus ist die Wirksamkeit umso
schwächer oder die Aufwandmenge umso größer, je dichter die Algen
wachsen, auf die sich das Chlor verteilen muss. Und die Wirkung ist
umso schwächer, je höher der pH-Wert ist. Denn Hypochlorite entstehen
durch die Bindung von Chlor in Laugen bei hohem pH-Wert und sie geben
das Chlor bei niedrigen pH-Werten wieder frei. Dies steht der Absicht
bei einer teichwirtschaftlichen Verwendung entgegen, hohe pH-Werte zu
bekämpfen.
Neuerdings
ist man darauf aufmerksam geworden, dass Substanzen, welche Chlor
abspalten, mit organischem Material zusammen eine besonders gefährliche
Kombination darstellen. Sie bilden in durchaus bedeutenden Mengen
Chloroform und andere chlorierte Kohlenwasserstoffe, die als sog.
»AOX«-Stoffe zusammengefasst werden (Absorbierbare Organische
Halogenverbindungen). Der ganze Umfang einer Bildung von Rückständen
dieser Schadstoffe im Teich und in den Fischen ist noch nicht
untersucht, jedoch sind vorübergehend bereits 145 µg/l
Chloroform im Teichwasser nach einer Chlorkalk-Behandlung gemessen
worden (Graf, Bohl, 1990). Rückstandsuntersuchungen an Fischen aus
einem mit Chlor belasteten Fluss legen den Schluss nahe, dass vor allem
von den schwereren Komponenten der AOX-Stoffklasse, z. B. von
Trichlorethen und Tetrachlorethen, höhere Konzentrationen in den
Fischen gespeichert werden. Aufgrund dieser Problematik wird seitens
der Wasserwirtschaft-Verwaltung neuerdings Chlor als besonders
wassergefährdender Stoff klassifiziert. Im eigenen Interesse wird sich
die Fischerei deshalb von diesem Mittel trennen, sobald derzeit
laufende Untersuchungen über ungefährliche Ersatzstoffe, vornehmlich
Peroxide, abgeschlossen sind.
Kohlensaurer Kalk trübt das Teichwasser, regt die biogene Entkalkung an und verbraucht keine Kohlensäure.
Der
kohlensaure Kalk ist als fein gemahlener Jura oder Kreide auf dem
Markt. Nur in der fein gemahlenen Form entfaltet er eine spürbare
Wirkung gegen hohe pH-Werte. Chemisch bleibt dieser Kalk zunächst
unbeteiligt. Er trübt das Wasser und beschattet dadurch die Algen. Ihre
Photosynthese wird eingeschränkt, die Atmung und somit die Freisetzung
von Kohlensäure überwiegt. Zu lange abgeschattete Algen sterben ab und
werden u. a. zu Kohlensäure mineralisiert.
Der
fein gemahlene kohlensaure Kalk kann eine große Oberfläche an
Kristallisationskeimen zur Verfügung stellen, um die biogene Entkalkung
zu katalysieren. Damit kann der kohlensaure Kalk, ähnlich dem
Branntkalk, ziemlich rasch zur Freisetzung größerer Mengen freier
Kohlensäure aus dem Vorrat des Hydrogencarbonates beitragen.
Da
es sich hierbei immer um Kohlensäure-Mengen handelt, die frei werden,
wenn sich das Kalk-Gleichgewicht von einer Übersättigung her einstellt,
kann diese Kohlensäure niemals den kohlensauren Kalk auflösen. Er wird
also in der Regel langsam zu Boden sinken und den Schlamm aufstocken.
Erst die dort oft vermehrt auftretende Atmungs-Kohlensäure kann einen
Teil des kohlensauren Kalkes lösen. In diesem Fall stellt der Kalk die
ungenutzte, die Atmungs-Kohlensäure dagegen die nutzbare Hälfte des neu
gebildeten Hydrogencarbonates.
In
Gebieten mit sehr weichem Wasser liegen die pH-Werte selbst bei
geringem Gehalt an freier Kohlensäure sehr niedrig. Ein aus dem
Hydrogencarbonat mobilisierbarer Vorrat an Kohlensäure existiert hier
ebenfalls nicht. In diesen Fällen ist kohlensaurer Kalk das Mittel der
Wahl. Er kann mit der freien Kohlensäure dieses Wassers ein SBV
aufbauen. Diese Kohlensäure bleibt weiterhin biologisch nutzbar.
Zugleich besteht nicht die Gefahr wie bei Branntkalk, durch eine
Überdosierung den pH-Wert auf Dauer in die Höhe zu treiben.
Eine
ähnliche Wirkung wie der kohlensaure Kalk hat die Wassertrübung, die
beim Aufwirbeln des Bodenschlammes entsteht, sei es durch eine unter
Wasser gezogene Egge, sei es durch gut »arbeitende« Karpfen. Ein
zusätzlicher Vorteil entsteht hierbei, dass nämlich organisches
Material, das sich im Bodenschlamm abgesetzt hatte, wieder im
sauerstoffreichen Wasser suspendiert wird und ebenfalls zu Kohlensäure
veratmet werden kann.
Mit organischem Material kann ein akuter Kohlenstoffmangel ausgeglichen werden.
Die
Anwendung verschiedener Kalkarten und die Eintrübung des Wassers sind
Methoden, mit denen der im Teich vorhandene Kohlenstoff teilweise
wieder in eine verfügbare Form gebracht werden kann. Gibt es jedoch
keine Biomasse an Schwebalgen zum Abtöten und keine Übersättigung an
Calcium und Carbonat, deren Ausfällung ausgelöst oder beschleunigt
werden könnte, dann versagen diese Methoden. In diesen Fällen kann
Kohlensäure nur aus organischem Material verfügbar gemacht werden, das
den Kohlensäure-Bestand des Teiches komplettiert. Am günstigsten sind
Heu, Stroh oder strohhaltiger Stallmist. Der Phosphor- und
Stickstoffgehalt sollte dabei möglichst niedrig sein.
Gründüngung
versorgt den Teich mit den Nährstoffen im richtigen Verhältnis und
beugt der Fehlentwicklung w hohen pH-Werten im Teich vor.
Wie
eingangs dargelegt, ist eine Versorgung des Teiches mit Kohlensäure
unerlässlich. Mineraldünger können diese Versorgung nicht
gewährleisten, weil sie keinen Kohlenstoff enthalten. Ein altbewährtes
Mittel in der Karpfenteichwirtschaft ist hier die Gründüngung. In
Teichen, welche im Winter trockengelegt werden können, wird
raschwüchsiges Wintergetreide angesät, z. B. Hafer oder Gerste. In
Himmelsteichen, die nicht trockengelegt werden können, ist diese
Methode leider nicht anwendbar. Hier muss das organische Material in
Form von Heu, Stroh oder Mist eingebracht werden.
Bei
der Gründüngung entnehmen die Pflanzen Kohlensäure aus der Luft und
nutzen mit ihren Wurzeln die Phosphor- und Stickstoff-Vorräte des
Teichbodens. Die von ihnen aufgebaute Biomasse entspricht in ihrer
Zusammensetzung weitgehend dem eingangs genannten Bedarfsverhältnis der
Nährstoffe, mit einem gewissen Kohlenstoff-Überhang sogar. Wenn diese
Pflanzen nach dem Bespannen des Teiches absterben und mineralisiert
werden, ist der Teich mit Nährstoffen ausgewogen versorgt.
Zusammenfassung:
Extrem
hohe pH-Werte, die auf einen relativen Mangel an Kohlensäure
zurückzuführen sind, sind zu einem vorrangigen Problem in vielen
Karpfenteichen geworden. Hohe Phosphorbelastungen, oft schon im Zulauf,
führen lOOfach verstärkt zu einem erhöhten Bedarf an Kohlenstoff. Er
wird von Wasserpflanzen und Algen durch Nutzung von Kohlendioxid
gedeckt. Spezialisierte Wasserpflanzen und Algen können auch
Hydrogencarbonat-Ionen im Austausch gegen Hydroxyl-Ionen nutzen. Dabei
steigen die pH-Werte bis 10 und höher. Die nutzbaren Anteile der im
Wasser gelösten Kohlensäure-Formen stammen aus der Atmung von
Organismen, nicht aus der Luft (zu geringe Diffusion). In der Bilanz
ist auch der aus den Carbonaten des Bodens entstandene Teil des
Hydrogencarbonats nicht biologisch nutzbar. Die Rolle des Gehaltes an
Hydrogencarbonat, der durch das Säurebindungsvermögen (SBV) gemessen
wird, muss revidiert werden. Weder besteht die behauptete Pufferwirkung
gegenüber den biogenen pH-Veränderungen, noch kann Hydrogencarbonat
unmittelbar Kohlensäure freisetzen (mangels Wasserstoff-Ionen). Nur
über eine Ausfällung von Calciumcarbonat (»biogene Entkalkung«) kann
Kohlensäure freigesetzt und der pH-Wert gesenkt werden. Diese Reaktion
ist, besonders unter dem Einfluss organischen Materials im Wasser,
wesentlich langsamer als der photosynthetische Kohlensäure-Verbrauch im
Teich. Die Fällungsreaktion kann sowohl durch die Anwendung von
kohlensaurem Kalk als auch von Branntkalk beschleunigt werden, wobei
Branntkalk jedoch den Vorrat an nutzbarer Kohlensäure im Teich
verringert. Auf organische Düngung, besonders auf »Gründüngung«, wird
hingewiesen. Diese stellt dem Teich, im Gegensatz zu Mineraldüngern,
auch den benötigten Kohlenstoff als Düngeelement zur Verfügung.
Kurt Bauer, veröffentlicht in Österreichs Fischerei Jahrgang 44/1991,
mit freundlicher Genehmigung von Herrn Prof. Schreckenbach, Potsdam