In diesem Beitrag wird sehr schön vermittelt wie sich das Koi Virus seit seinem ersten Auftreten verbreitet hat.
1997: Deutschland
Eine offensichtlich hochgradig ansteckende Erkrankung taucht im Koi-Handel
auf: Hohe Verluste bis hin zu Totalausfällen bei Koi, nicht aber bei
mit diesen zusammen gehaltenen anderen Kaltwasserfischen (Goldfische,
Orfen, Graskarpfen). In Teichen von Privatleuten sterben Koi nach dem
Zukauf eines einzigen neuen Koi unter den Symptomen Atemnot,
Kiemenzerstörungen, Schleimhautentzündungen und exzessivem
Außenparasitenbefall. Erste Untersuchungen durch Fischpathologen
ergeben Hinweise auf eine Flexibactererkrankung.
1998: Deutschland, Großbritannien, Benelux, USA, Israel und
Südafrika Die Krankheit kommt innerhalb kurzer Zeit in vielen
Koi-Handlungen und Privatteichen zum Ausbruch. Die Sterblichkeitsrate
liegt bei 80 – 99 %. Auch in Israel treten massive Verluste bei Koi-
und Speisekarpfenzüchtern auf. In Deutschland geht die Suche nach dem
Erreger der Erkrankung weiter, teilweise mit elektronenmikroskopisch
erkennbaren Partikeln, die verschiedenen Viren zugeordnet werden
können. Allerdings mißlingen die Virusanzüchtung, bzw. die
Infektionsversuche mit den isolierten Viren. In den Niederlanden
spricht man von "KISS³ ("Koi Immune Supressive Syndrome³), einer
Erkrankung des Immunsystems.
1999:
Die Krankheit kommt in Europa weiterhin zum Ausbruch. Häufig sind
Importstationen die Verteiler, wo Fische aus unterschiedlichsten
Herkünften gemischt werden. In Israel werden kleine Koi auf natürliche
Weise "immunisiert³, sie sollen nach überstandener Infektion
unempfänglich für die Krankheit sein.
2000:
Das Koi Herpes Virus wird von Forscherteams aus den USA und Israel
erstmals als (Mit?-)Verursacher des Koi-Massensterbens in beiden
Ländern beschrieben. Japan, bislang noch frei von KHV, ist das erste
Land, das Schutzmaßnahmen gegen KHV ergreift. Der Import von Koi und
anderen Karpfen wird verboten.
Auswirkung: Auf der Shinkokai Koi Show 2000 sind ca. 20% weniger Koi
gemeldet. Viele Kunden aus Südostasien (Taiwan, Singapur, Hongkong,
Thailand) können nicht an der Show teilnehmen.
In Europa treten nach wie vor Nachwehen aus dem Jahr 1998 auf und es
finden auch in geringerer Zahl Neuausbrüche durch importierte Fische
statt. Schwerpunkt der Ausbrüche sind private Koi-Halter, die Koi aus
einigen Baumärkten zugekauft haben und kleine Koi-Halter, die sich aus
bestimmten Koi-Großhandlungen bedienen. Auch die Forscher in
Deutschland sind nun in der Lage, das Koi-Herpesvirus nachzuweisen, und
sie finden daneben weitere Viren bei akut erkrankten Koi.
2001:
Die Situation ist unverändert. Das Virus befällt nach wie vor
kleinere Bestände und wird nach wie vor über einzelne Großhändler
verbreitet. Obwohl die Wissenschaftler auf Hochtouren arbeiten, kann
keine Behandlungsmethode angeboten werden. Auch ist nach wie vor
unbekannt, ob Koi, die die Seuche überlebt haben, zu einem späteren
Zeitpunkt wieder Viren ausscheiden können oder nicht. In verschiedenen
Ländern setzt man auf die Durchseuchung ganzer Bestände als
Gegenmittel. Hier geht man ganz offensichtlich davon aus, dass ein Koi,
der die Seuche einmal miterlebt hat, eine lebenslange Immunität bildet
und nicht mehr als Virenverbreiter fungieren kann. Doch ist dies rein
spekulativ und beruht ausschließlich auf empirischen Daten, ein
Koi-Leben ist eben lange.
2002: Indonesien
Auf der indonesischen Insel Java kommt Mitte April nahe der Stadt
Blitar KHV zum Ausbruch. Auch hier liegt die Sterblichkeitsrate bei 80
– 90 %. Binnen weniger Wochen hat sich KHV über die gesamte Insel
ausgebreitet und richtet einen Schaden an, den die Regierung mit
5.000.000 US $ beziffert. Betroffen ist sowohl die Koi-Zucht, als auch
die kommerzielle Karpfenzucht. Die Reaktion des Indonesischen
Ministeriums für Fischerei und Meeresangelegenheiten ist eindeutig: Die
Insel Java wird unter Quarantäne gestellt. Kein Fisch darf die Insel
mehr verlassen. Weiterhin wird ein Importverbot von Koi und
Speisekarpfen über gesamt Indonesien verhängt. In Nordchina und
Malaysia treten ebenfalls Massensterben, teilweise auch bei
Speisekarpfen auf, die einer KHV-Infektion zugeordnet werden. Auch in
Ungarn wird von Massensterben bei Karpfen berichtet, die aber nicht
abschließend als KHV-Infektion bewertet werden können. In Deutschland
sprechen viele Fischpathologen von einem extremen Anstieg der
Infektionsraten, vielleicht auch, weil mehr untersucht wird und der
Krankheit mehr Beachtung geschenkt wird. Viele kleinere Koi-Händler,
die sich aus der Großhandelsschiene bedienen, machen in diesem Jahr
erstmals fatale Erfahrungen mit der Seuche. Wissenschaftler aus Israel
kommen zu dem Ergebnis, dass es sich bei "KHV³ nicht um eine
Herpesviruskrankheit handelt, sondern um ein anderes Virus, das sich
als "Herpes³ tarnt. Sie gehen nicht davon aus, dass dieses Virus im
Fisch persistiert, also unter ungünstigen Umständen wieder von
überlebenden Koi ausgeschieden werden kann.
Fazit
Wir stehen noch ganz am Anfang was KHV betrifft! Wenngleich wir die
Seuche im Jahr 1998 mit verheerenden Auswirkungen im eigenen Land
miterlebt haben, so können wir uns nicht sicher sein, dass uns dieses
Ereignis eine lebenslange Immunität gegenüber einer zweiten Akutphase
gibt. Insbesondere die neuerlich in Indonesien, Malaysia und Nordchina
aufgetretenen Fälle geben Anlass zu großer Sorge. Denn wir wissen
nicht, wie viele bereits infizierte Fische von den dortigen Produzenten
ausgeliefert wurden, ehe die Katastrophe dort zum Ausbruch gekommen
ist. Und keiner kann bisher dafür garantieren, dass Koi, die KHV
überlebt haben, niemals wieder Virus ausscheiden. Einige Fachleute
haben bereits Anlass zu der Annahme, dass KHV-ähnliche Erkrankungen
noch Jahre nach der Erstinfektion in Teichen spontan wieder auftreten
können, auch wenn nicht wenige Tage oder Wochen vorher neue Koi
zugekauft wurden. Auch die für die Fischerei und Fischzucht
verantwortlichen Ministerien der Europäischen Union werden dem
weltweiten Treiben nicht mehr lange tatenlos zusehen können. Ihre
Aufgabe wird in erster Linie lauten: Schutz der heimischen
Karpfenteichwirtschaft, immerhin die bedeutendste in der derzeitgen EU.
Zum jetzigen Zeitpunkt vermag zwar noch niemand die möglichen
Konsequenzen der EU abzuschätzen. Unter vorgehaltener Hand werden
anscheinend bereits Importverbote von Karpfen und Koi diskutiert. Dies
würde bedeuten, dass zukünftig jeder, der Koi in die EU einführen
möchte, den Nachweis erbringen muss, dass die Ware aus KHV-freien
Beständen kommt. Doch dies ist bislang noch ein Wunschtraum. Fakt ist,
dass Reaktionen von behördlicher Seite zu erwarten sind. Denn KHV wird
langsam aber sicher zu einer weltweiten Bedrohung. Und wir, die
Koi-Liebhaber in Deutschland, können uns über eines im Klaren sein:
Einen zweiten Großangriff von KHV wird das Koi-Hobby, wenn überhaupt,
dann nur mit schweren Blessuren überstehen. Daher ist es in
unverzichtbar, dass auch im Groß- und Einzelhandel endlich ein
Bewußtsein für die Gefährlichkeit der Erkrankung für bisher nicht
infizierte Bestände entsteht. Schutz bieten derzeit lediglich Koi aus
KHV-freien Beständen.
Quelle: Arno R. Pozar
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Koi Verlag GmbH