K. SchreckenbachInstitut für Binnenfischerei e. V. Potsdam Sacrow
1. Einleitung
Nachdem die Aufzucht von Satzkarpfen in Teichen meist bis Ende Juli problemlos abläuft, die Fische kaum erkranken und ein starkes Wachstum aufweisen, kommt es im August insbesondere bei K0-1 aber auch bei K1-2 häufig zu Wachstumsdepressionen und Erkrankungen mit Kiemen- und Schwimmblasenschäden. Nach vorliegenden Erfahrungen und Untersuchungen ist das auf verschiedene Einflüsse zurückzuführen. Die Bestandsmasse der Karpfen ist gewachsen und hat zunehmenden Sauerstoffbedarf. Die Naturnahrung ist weitgehend aufgebraucht und muss durch eine hohe Zufütterung ausgeglichen werden. Es herrschen i. d. R. hohe Wassertemperaturen vor, die den Nahrungs- und Sauerstoffbedarf der Fische sowie alle Vorgänge im Teich beschleunigen. Durch absterbende Wasserorganismen, Futterreste und Kot wird Sauerstoff verbraucht und verstärkt Kohlendioxid gebildet. Abnehmende Tageslängen verringern die lichtabhängige Sauerstoffbildung durch Algen und verlängern die Zehrungsvorgänge in den Nachtstunden. Zudem schränken hohe Temperaturen die Löslichkeit des Sauerstoffs im Wasser und den Eintrag aus der Luft ein. In den frühen Morgenstunden lassen sich im August meist niedrige Sauerstoff- und hohe Kohlendioxidgehalte nachweisen. Am Tage steigen der Sauerstoffgehalt und pH-Wert an. Die Tag/Nacht-Wechsel von Sauerstoff, Kohlendioxid und pH-Wert erfordern enorme Anpassungsleistungen der Fische.
Durch den Abbau organischer Stoffe reichern sich auch Stickstoffverbindungen im Wasser an, von denen insbesondere die pH-abhängigen Verbindungen Ammonium/Ammoniak und Nitrit/salpetrige Säure die Karpfen belasten oder schädigen können. Die wechselnden und zeitweise eingeschränkten Umwelt- und Ernährungsbedingungen sowie die verstärkte Wühltätigkeit der Karpfen bei der Suche nach kaum noch vorhandenen Bodennahrung begünstigen Infektionen mit Bakterien und Fischparasiten, insbesondere auch Sporen der Schwimmblasenentzündung. Das Ausmaß der genannten Einflüsse hängt maßgeblich von der Teichbeschaffenheit und der Besatzdichte ab. Eine normale Teichbewirtschaftung mit Zielerträgen > 1000 kg/ha wird i. d. R. durch die o. g. Probleme im August begrenzt. Einige Auswirkungen des Sauerstoffmangels sowie die begrenzten Möglichkeiten der Vorbeugung werden nachfolgend aufgezeigt.
2. Auswirkungen von Sauerstoffmangel
Obwohl Karpfen erst bei Sauerstoffgehalten < 2 mg/l deutliche Anzeichen von Sauerstoffmangel zeigen (Unruhe, Nahrungsverweigerung) und erst < 1 mg/l zur Notatmung an die Wasseroberfläche übergehen, wird ihre Sauerstoffaufnahme bereits < 4 mg/l eingeschränkt. Wie Untersuchungen zeigen, können nüchterne Karpfen bei 20° C ihren Sauerstoffbedarf von 90 mg/kg•Stunde bei Sauerstoffspannungen > 80 mm Hg (> 4 mg/l) im Wasser ausreichend decken. Höhere Sauerstoffdrücke haben keinen höheren O2-Verbrauch zur Folge. Bei Sauerstoffdrücken < 80 mm Hg (< 4 mg/l) sinkt dagegen der O2-Verbrauch, weil der Sauerstoff im Wasser nicht mehr ausreicht, um in die Kiemen zu dringen (Abb. 1). Es kommt zur Sauerstoffunterversorgung. Haben die Fische nach der Nahrungsaufnahme einen höheren Sauerstoffbedarf, der bei K1 im Aktivitätsstoffwechsel auf 500 mg/kg•Stunde ansteigen kann, entstehen Sauerstoffdefizite. Die Karpfen versuchen diese Situation durch eine beschleunigte Atmung (Atemfrequenz, Atemvolumen) auszugleichen, wodurch sehr viel Energie verbraucht wird. Da junge Karpfen bereits im Ruhestoffwechsel ca. 50 % ihrer Energie für die Atmung benötigen, sind Sauerstoffunterversorgungen in Teichen häufige Ursachen für schlechtes Wachstum, Schädigungen und eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Belastungen und Krankheitserregern. Derartige Sauerstoffdefizite bleiben häufig verborgen und werden erst bei der Abfischung deutlich. Die Satzkarpfen verfügen über eine schlechte Kondition und erleiden während und nach der Überwinterung hohe Verluste.
Die Atmung der Karpfen wird auch durch den pH- Wert und CO2-Gehalt des Wassers beeinflusst. Eine beschleunigte Atmung bei niedrigen Sauerstoffgehalten führt bei hohen pH-Werten und niedrigen CO2-Gehalten im Wasser zur verstärkten Abatmung von Kohlendioxid und zum pH-Anstieg des Blutes (respiratorische Alkalose). Umgekehrt haben hohe Sauerstoff- und CO2-Gehalte eine Anreicherung von Kohlendioxid und einen Abfall des pH-Wertes im Blut (respiratorischen Azidose) zur Folge. In beiden Fällen wird die Sauerstoffaufnahme an den Kiemen und die Sauerstoffnutzung im Organismus beeinträchtigt. Die komplizierten Zusammenhänge zwischen Wasserqualität und Atmung sind in der Abbildung 2 vereinfacht dargestellt.
Abb. 2 Schematische Darstellung eines Schnittes durch den Kopf- und Kiembereich eines Karpfens mit dem Weg des Atemwassers sowie dem Einfluss von Sauerstoff, Kohlendioxid und pH-Wert im Wasser auf den Atmungsvorgang sowie die Entstehung der respiratorischen Alkalose und Azidose
Der im August auftretende Sauerstoffmangel im Wechsel mit Alkalosen und Azidosen begünstigt die kombinierte Schadwirkung von Ammoniak (NH3) bei hohen pH-Werten und von salpetriger Säure (HNO2) bei niedrigen pH-Werten, wodurch die Kiemen geschädigt und die Sauerstoffaufnahme zusätzlich beeinträchtigt werden. Unter solchen Voraussetzungen sind die heranwachsenden K1 nicht in der Lage das angebotene Futter zu verwerten. Selbst hochwertige Trockenmischfuttermittel bleiben dann ungenutzt und belasten das Sauerstoffregime der Teiche zusätzlich. Wachstumsstagnationen und Konditionsmängel sind die Folgen. Dem komplexen Geschehen kann nur durch ausreichende Sauerstoffverhältnisse vorgebeugt werden.
3. Vorbeugung von Sauerstoffmangel in Teichen
Bei ausreichenden Sauerstoffverhältnissen treten die dargestellten Einflüsse bei den Karpfen nicht auf. Einem bestehenden Sauerstoffmangel kann in normal bewirtschafteten Teichen nur schwer begegnet werden. Vorbeugend trägt eine gute Teichvorbereitung im Frühjahr zur Wasserkonditionierung bei. Eine Grundkalkung mit 1.000 bis 3.000 kg/ha kohlensaurem Kalk (CaCO3) verbessert im Sommer die Mineralisation der organischen Substanzen sowie die CO2-Bindung und –Freisetzung im Teich. Auch 14tägige Portionskalkungen von 100 bis 300 kg/ha kohlensaurem Kalk vom Boot aus unterstützen diese Effekte und wirken durch Wassertrübung und mechanische Niederschlagung den Algenentwicklungen und pH-Erhöhungen etwas entgegen. Angemessene Besatzdichten mit Zielerträgen < 800 kg/ha sowie eine kontrollierte Zufütterung, bei der die vollständige Aufnahme der hohen Futtermenge im August (ca. 50 % der Gesamtfuttermenge) gesichert ist, sind Voraussetzungen zur Vermeidung von Sauerstoffdefiziten. Kontrollen des Sauerstoffgehaltes in den Morgenstunden und regelmäßige Probewägungen der Fische liefern Rückschlüsse über die Bedingungen im Teich und die gezielte Fütterung. Wie Beobachtungen zeigen, tritt in stark windexponierten Teichen seltener Sauerstoffmangel auf, da auch Luftsauerstoff über die Wasseroberfläche eingetragen wird. Das Anlegen von Windschneisen in der Ufervegetation verdient deshalb Beachtung. Nur in wenigen Fällen kann ein Sauerstoffmangel durch verstärkten Wasserzufluss ausgeglichen werden, da die Vorfluter im Sommer selten hohe Sauerstoffgehalte aufweisen und das Wasserrecht solche Maßnahmen verbietet. Da bei Sauerstoffmangel sowie eingeschränkten CO2-Gehalten, pH-Werten, NH3- und HNO2-Konzentrationen häufig nicht das gesamte Teichvolumen betroffen ist, weichen die Karpfen auch in Bereiche mit angemessenen Umweltbedingungen aus. Derartige Rückzugsorte können durch partielle Belüftung geschaffen werden. Um dem Sauerstoffmangel und seinen Folgen in Karpfenteichen wirksam vorzubeugen, sind intensive Bewirtschaftungsverfahren zur K1-Aufzucht mit vollwertigen Futtermitteln, technischer Belüftung und hohen Erträgen (PIW-B) geeignet.
Autor: Prof. Dr. Schreckenbach, Institut für Binnenfischerei Potsdam Sacrow