Die Vorteile von Biofilmreaktoren mit vorab adaptierten Biofilm
Mikroorganismen sind im belebten Bereich fast überall zu finden – lediglich Reinsträume sollten größtenteils frei von Ihnen sein. Sie sind überall zu finden, weil sie Spezialisten in der Anpassung – der Adaptation – sind. Sie sind in der Tiefsee, an Vulkankratern, ebenso zu finden, wie in arktischen Bereichen oder im Darm von Mensch und Tier.
Natürlich findet sie sich auch im Wasser, schon gar in Teichen und natürlich Koi-Teichen. Sie sind gerne dort, da sich ausreichend Nahrung und günstige Lebensbedingungen finden. Ihre Nahrung stammt aus den Ausscheidungen der Fische und was sonst noch alles den Weg in den Teich gefunden hat. Mit der Zeit werden sich diese Mikroorganismen auf allen wassererreichbaren Oberflächen niederlassen und Schleim, auch Biofilme genannt, bilden. Für diese Bildung brauchen sie nicht nur relativ lange Zeit, sonder auch die notwendigen Bedingungen zum Aufbau des Biofilms. Desto ungünstiger die Bedingungen, desto qualitativ und quantitativ schlechter wird der Biofilm aufgebaut. Dies ist gut zu vergleichen mit dem Bau eines Hauses, das nur so gut sein kann, wie die Materialien und Handwerksleistungen, die zum Bau eingesetzt wurden. Um einen schlechten Aufbau des Biofilms zu verhindern, wird der Biofilm im Biofilmreaktor unter speziellen Bedingungen vorab entwickelt und aufgebaut. Wenn der Biofilm „steht“, werden sich aus dem Teichwasser weitere Mikroorganismen ansiedeln und zwar genau die, die von den Nährstoffen („Schmutzstoffen“ im Wasser) des Teiches leben können.
Aufbau eines Biofilms – schematisch
Als der wichtigste Nährstoff („Schmutzstoff“ im Wasser) ist der Kohlenstoff zu sehen, der auch aus den Ausscheidungen der Fische stammt. Aus dem organischen Kohlenstoff – wir nehmen photosynthetische Mikroorganismen = Blaualgen mal aus, entwickeln die Mikroorganismen neue Biomasse und Energie. Mit neuer Biomasse ist auch die Vervielfältigung der Mikroorganismen gemeint. Die Energiegewinnung, das so genannte ATP, ist bei allen Lebewesen das gleiche – egal ob Tier, Pflanze oder Mikroorganismen. Viele Mikroorganismen schaffen dies nur, wenn Sauerstoff vorhanden ist = aerob und viele Spezialisten schaffen es auch, wenn kein Sauerstoff im Wasser vorhanden ist = anaerob. Beide Systembedingungen sind wichtig, um belastende Wasserinhaltsstoffe – z. B. Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor – abzubauen und damit das Wasser zu reinigen. Wenn zu hohe Kohlenstoffwerte im Wasser vorhanden sind, deutet das auf eine schlechte biologische Reinigung hin. Außerdem erhöht es die Mikroorganismendichte im freien Wasser, was sich durch Trübung des Wassers äußern kann – hier können Werte von ca. 106 Keimen pro mL erreicht werden. Die erhöhte Mikroorganismendichte im freien Wasser kann sich auch auf das Wohlbefinden der Fische auswirken und die Anzahl pathogener Mikroorganismen kann höher sein. Ein Biofilmreaktor verhindert eine hohe Dichte an Mikroorganismen im freien Wasser, da er die notwendigen Nährstoffe aus dem Wasser holt und damit die Nährstoffgrundlage für Mikroorganismen im freien Wasser verschlechtert.
Ein weiterer wichtiger Nährstoff („Schmutzstoff“ im Wasser) ist der Stickstoff. In der Luft ist er zwar zu über 70% vorhanden, im Wasser dagegen als gelöster, gasförmiger Stickstoff, nur zu ca. 2%, der als gasförmiger Stickstoff aber nicht zugänglich ist.
Die Mikroorganismen können sich den Stickstoff im Wasser aus den Ausscheidungen, oder anderen Wasserinhaltsstoffe, holen. Ein gute Quelle sind die Proteine, die immer Stickstoff enthalten, aber auch organische Verbindungen mit Stickstoffanteilen. Nicht zu vergessen ist natürlich das Ammonium/Ammoniak, das die Fische ins Wasser abgeben. In welchem Zustand der Stickstoff vorliegt, also als Ammonium oder Ammoniak, ist stark pH-Wert abhängig. Nun gibt es unter den Mikroorganismen Spezialisten, wie so oft und insgesamt zu >90% noch unbekannt, die ihre Energie durch die Oxidation von Ammoniak zu Nitrit gewinnen können. Andere wiederum schaffen es durch die weitere Oxidation von Nitrit zu Nitrat Energie zu gewinnen. Diese Vorgänge sind nur aerob durchführbar. Hier enden oft die mikrobiellen Leistungen herkömmlicher biologischer Filter. Der natürliche Weg des Stickstoffs endet aber nicht beim Nitrat. Jetzt kommen Spezialisten zum Zuge, die sich in einem soliden Biofilm ansiedeln können, die das Nitrat wiederum zu Nitrit reduzieren können um dadurch ebenfalls Energie zu gewinnen. Diese biochemische Leistung findet aber nur unter anaeroben Bedingungen statt und bleibt nicht beim Nitrit stehen. Die Spezialisten unter den Mikroorganismen können das Nitrit weiter zu N2, also Luftstickstoff reduzieren. Diese Vorgänge werden Denitrifikation genannt. Das N2 gast dann aus dem Wasser in die Luft aus und der Stickstoffkreislauf ist damit vollendet.
Weil Ammoniak, Nitrit und auch Nitrat ab gewissen Konzentrationen auch auf die Fische toxisch wirken können, ist es sehr wichtig, diese Werte analytisch zu beobachten. Wenn die notwendigen Mikroorganismen vorhanden sind, wird sich das an niedrigen Ammonium/Ammoniak, Nitrit- und Nitratwerten zeigen. Wenn die Nitratwerte hoch sind, ist keine oder eine unzulängliche Denitrifikation im Biofilter vorhanden. In einem gut entwickelten Biofilm im Biofilmreaktor können sich ca. 1012 Keime pro mL ansiedeln und auch das Vorhandensein von Denitrifikanten ist normal, sodass der Stickstoffkreislauf geschlossen ist.
Phosphor ist ebenso ein essentieller Nährstoff („Schmutzstoff“ im Wasser), nicht nur für Mikroorganismen. Aber auch höhere Konzentrationen wirken normalerweise nicht toxisch. In der Regel wird der Phosphor gerne von den Mikroorganismen aufgenommen, da er für viele wichtige Zellbestandteile unabdingbar ist. Auch für Biofilmbestandteile kann Phosphor wichtig sein. Hohe Phosphoranteile im Wasser kann auch seine Ursache in vorbelasteten Futterstoffen der Fische haben und kann einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Bildung von Algen haben.
Der Vorteil eines gut adaptierten, vorab aufgebauten Biofilms im Biofilmreaktor liegt auch in seiner hohen Mikroorganismendichte, die eine hohe Anzahl sowohl aerober als auch anaerober Mikroorganismen bedingt.
Biofilm auf Immobilisationseinheit (Polyethylen) – außen
Diese sauerstofffreien und sauerstoffhaltigen Bereiche können nur wenige µm voneinander entfernt im Biofilm liegen. Kurz und gut, es ist wie in der Botanik oder Zoologie, der Artenreichtum bewirkt immer eine hohe Stabilität und Leistungsfähigkeit eines Systems.
Der Biofilm übersteht lange Zeiten (Wochen bis Monate) mit Wassermangel und auch niedrige und hohe Temperaturen. Im Biofilm haben sich die Mikroorganismen auch Nährstoffe für ungünstige Zeiten gespeichert. Potentiell gelten die Mikroorganismen im Biofilm als unsterblich, d.h. wenn z.B. bei einer Zelldichte von 107 Mikroorganismen pro mL im Biofilm auch 99% durch widrigste Umstände abgetötet werden, so überleben immer noch 105 Mikroorganismen pro mL. Diese reichen voll aus um innerhalb kurzer Zeit, wenn sich die Zeiten bessern (Frühjahr), wieder die volle Leistungsfähigkeit des Biofilmreaktors zu erreichen.
Die Mikroorganismen im Biofilm sind auch gegen toxische Substanzen weitgehend widerstandsfähig und resistent. Das Beispiel Chlor macht das deutlich. Mikroorganismen im Biofilm überstehen die >100 gesteigerte Chlorkonzentration im Wasser, als die freien Mikroorganismen im Wasser. Gleiche Werte gelten für viele ansonsten toxische Stoffe. Das macht auch die Behandlung von Fischen im Teich einfacher, da sie während der Behandlung mit z. B. Antibiotika weiter gefüttert werden können. Die Biologie in herkömmlichen Filtern brechen erfahrungsgemäß bei vielen Anwendungen zusammen, sodass die Fütterung eingestellt oder stark reduziert werden muss.
Die Wasseraufbereitung mit Biofilmreaktoren ist die Umsetzung der in der Natur ablaufenden Prozesse zur Wasserreinhaltung, die in einen für den Menschen technisch nutzbaren Rahmen gebracht wurden. Diese Art der Wasseraufbereitung ist schonend für Mensch, Tier und Natur. Sie ist das Ergebnis einer langen Kette von Anstrengungen in Forschung und Eigeninitiative.
Autor: Dr. Jürgen Scheen, Oktober 2007